
Von den Volksspielen zur Kinderbelustigung
In der Zeit ab 1823 wurde das Schützenfest in Neuss neu gestaltet. Das Ziel der Initiatoren war es, ein Volks- und Stadtfest zu organisieren. Daher entwickelten sie viele neue Festelemente, die speziell für die Zuschauer gedacht waren, zum Beispiel die öffentliche Proklamation des Königs auf dem Marktplatz oder die feierlichen Umzüge. Der Standort der Vogelstange wurde so verändert, dass mehr Publikum zuschauen konnte. Und es wurden sogenannte Volksspiele auf der Festwiese veranstaltet, an denen jeder teilnehmen durfte.
Die Teilnehmer rekrutierten sich wahrscheinlich vor allem aus dem Kreis der jungen, männlichen Erwachsenen. Hier eine Auswahl der über die Jahre hinweg angebotenen Wettbewerbe, bei denen Sach- und Geldpreise zu gewinnen waren:
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Volksvogel zum Abwerfen mit Erdklumpen
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Kindervogel zum Abschießen mit Bögen
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Stangeklettern, dabei wurde die Stange mit Seife eingeschmiert
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Schinkenhauen oder Schinkenschlagen, dabei mussten die Teilnehmer die Schinken, die an einem Gestell aufgehängt waren, mit einem Säbel mit verbundenen Augen abschlagen
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„Caroussel“, allerdings kein Fahrgeschäft, sondern eine Art Glücksrad, bei dem durch Drehen Preise zu gewinnen waren
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Talerstechen
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Schiebkarren-Rennen in Fässern
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„Der Ochs und der Blinde“ – „ein animalisches Schauspiel“
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Drachenfliegen
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Rennen mit Ackerpferden
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Schweinejagen
Die Namen der Wettbewerbe und die erhaltenen – wenigen - Abbildungen lassen vermuten, dass die Volksspiele ein wildes Spektakel waren. 1891 bat das Komitee den Neusser Turnverein, die Vorgängerorganisation der Turngemeinde Neuss, die Organisation der Spiele zu übernehmen und in Zukunft „turnerisch“ zu gestalten. Die nun entwickelten Wettbewerbe – Eierlaufen, Sackhüpfen, Würstchen-schnappen, Blumentöpfe mit einem Dreschflegel zerschlagen oder Seilchenspringen – sprachen nun stärker Kinder an.
Nach dem Krieg wurde auch die Kinderbelustigung wieder ins Programm aufgenommen. Allerdings konnten immer nur wenige ausgewählte Kinder an den Spielen teilnehmen, obwohl sich Hunderte um die Königsempore, wo die Spiele stattfanden, drängten. Dies änderte sich, als 1995 der Judotrainer Jürgen Brockmeyer ins Team eintrat. Er schaffte es, zahlreiche neue Helfer zu aktivieren und die Spiele zu aktualisieren. Heute ist die Kinderbelustigung auf der Festwiese ein Spaß für alle kleinen Schützenfestbesucher.

